Sonntag, 16. Oktober 2011

Unterwegs mit Muggel (Glosse)

Und schon wieder habe ich alle wichtigen Dinge aus unserem Campingschrank auf mein Fahrrad geladen um mich auf das jährliche Stück Elbe-Radweg zu stürzen. Treffpunkt: Hauptbahnhof Bonn. Wie immer. Mit meinem Trauzeugen. Wie immer. Er viel Gepäck, ich eher die reduzierte designorientierte Packlinie. Wie immer. Er hat das Elbe-Radweg-Handbuch dabei, ich mein GPSr. Das ist neu! Denn seit gut einem Jahr suche ich Dosen. Er nicht. Ich bin unterwegs mit einem Muggel!
Wie kompliziert wird es werden? Kann ich die Geheimhaltung der weltweiten Geocachingcommunity wahren oder werde ich kläglich scheitern und die Welt unser Geheimnis erfahren?

Zunächst sitzen wir einige Stunden im Zug nach Hamburg. Alles pünktlich – wie irritierend. Natürlich muss ich während der langen Fahrt eine sinnvolle Beschäftigung haben. Also überprüfe ich die Pocket Querry unserer Route. Und beginne die Listings diverser Tradis zu lesen – wie unvorsichtig. Nachfrage seinerseits, was ich denn da machen würde. Meine Antwort ausweichend, technikbezogen – ich würde schauen wie sich der kleine Pfeil auf der Karte bewegt.

In Hamburg angekommen gelingt es uns mit Unterstützung des GPSr die vorab gebuchte bescheidene Unterkunft zu finden. Super Ausrede! Die Unterkunft liegt nahe an einem T5er in der Hamburger City. Ich versuche mehrmals unauffällig den Tretboot-Auslöser an meinem Liegerad zu betätigen. Leider ist das aber unauffällig nicht machbar – der schöne Tradi an der Fontaine muss ungehoben in der Alster liegen bleiben.

Am nächsten Morgen nehmen wir den Asphalt der Hansestadt unter unsere Reifen. Das Glück will es, dass der Weg anfangs durch Stadtteile führt, in denen bei einem vorhergehenden Besuch der Stadt bereits von uns geerntet worden ist. Hamburg hat ein diebisches Vergnügen an meinem Versuch unauffällig zu bleiben - anders ist die Namensgebung der Straßen nicht zu verstehen.
Dann ist es endlich soweit: Er muss telefonieren und ich beantrage mit harmlosen Gesichtsausdruck eine Pause an einer bestimmten Stelle. Und dort gelingt es! Strike! Der erste Fund der Tour – wieder harmloser Gesichtsaudruck und Logschreiben unter Vortäuschung abzurufender eMails. Natürlich lässt der riesige Druck in dieser Situation trotzdem eine ordentliche unterschwellige Owner-Kritik zu – schließlich wird hier professionell gecacht.

Dem ersten Erfolg schließt sich eine lange Durststrecke an. Ich beginne Verstecke zu sehen, obwohl keine Dosen auf der Karte meines GPSr eingeblendet sind. Unauffällig suche ich an augenscheinlich guten Versteckmöglichkeiten nach der Befriedigung meines Logbedürfnisses. Mein Verhalten wird als nicht ganz unauffällig wahrgenommen und die Antwort auf die Frage, warum ich bei Familie Vogel den Keller durchsuche, fällt mir nicht ganz leicht. Zum Glück ist mein breites Interesse an naturwissenschaftlichen Themen bekannt und mein Argument mit der lokal begrenzten Individuenzählung zieht offensichtlich. Im Verlauf der weiteren Reise kann ich das Suchen mit einem geübten „Ich binde mir nur mal den Schuh zu.“ und das Loggen mit „Ich notiere nur ein paar Stichworte für mein Tagebuch!“ ins rechte – also falsche – Licht rücken.

In Cuxhaven angekommen gilt es zwei Verschwiegenheits-Herausforderungen zu bestehen: Da ist zum einen dieser zufriedene, fast dümmlich wirkende, Gesichtsausdruck - eine Mischung aus Lächeln und Abwesenheit. Selbiger stellte sich bei den Zeichnungen eines Jägerschnitzels ein. Während ich glücklich auf das Logbuch starre hat das Ein-Personen-Muggelumfeld den Eindruck ich hätte mich nicht am Bücherschrank, sondern am Medizinschränkchen bedient. Und dann gibt es noch das nicht weniger auffällige Gegenteil - mit zerzausten Haaren und Dreck unter den Fingernägeln steht man da, eine Träne sucht sich den Weg durch das staubige Gesicht und der Frust beugt den Rücken. Der Mikro zwischen einer Million Steinen ist einfach nicht zu finden. Die Geheimhaltung gebietet es in den nächsten zwei Stunden die bedrückenden Bestandteile des Alltags als Thema zwischen Freunden zuzulassen - wäre die Alternative doch der Verrat an der Dose. Wo auch immer das Sch...teil ist!

Das Entscheidende ist aber: immer Geheimhaltung wahren und unauffällig bleiben. Das ist ein Leichtes mit den richtigen Accessoires in der CGA! Vielleicht lohnt es sich darüber nachzudenken, ob ich mich vor der nächsten Tour offenbare. Das sollte möglich sein – wenn er bereit ist, eine Schweigeerklärung zu unterschreiben. Ich denke ein Muster dafür finde ich auf geocaching.com – ich muss jetzt aufhören und direkt mal nachschauen…

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